Das dezentrale Bioraffineriekonzept
Bioraffinerien stellen (mehrere) Produkte für die Bioökonomie her. Dabei werden Biomassehaupt- und Nebenströme durch effiziente Kaskadennutzung entlang einer Prozess- und Wertschöpfungskette zu Lebensmitteln, Futtermitteln, Werkstoffen, Materialien, Chemikalien und Energie veredelt. Dabei wurden diese technischen Anlagen so entwickelt, dass sie in ein Gesamtkonzept eingebettet sind, welches kreislauffähig ist und somit zur nachhaltigen Rohstoffproduktion beiträgt.
„Diese Kreisläufe gab es früher. Sie sind aber im Laufe der Zeit durch die Expansion von Wirtschaftsräumen verloren gegangen. Wir wollen jetzt aber nicht die alten Zeiten wieder heraufbeschwören, sondern die Lücken mit modernen Technologien schließen.“ Prof. Dr. Andrea Kruse – Fachgebiet Konversionstechnologien Nachwachsender Rohstoffe, Universität Hohenheim.
HINTERGRUND:
Nutzung von Kohlenstoff, als wesentliches Element in allen verfügbaren Pflanzen.
Pflanzen nehmen mittles Photosynthese CO2 aus der Luft auf und binden den darin enthaltenen Kohlenstoff in ihrer Biomasse in Form von zum Beispiel Makronährstoffen wie Stärke, Proteinen, Ölen/Fetten, aber auch Fasersstoffen. Die in den Pflanzen enthaltenen Kohlenstoffverbindungen sind eine wertvolle Quelle, um daraus nachhaltige Rohstoffe für unsere Industrie zu gewinnen.
Im Vergleich zu Erdöl, welches aus Quellen an nur wenigen Standorten der Welt gewonnen wird, muss bei der Wahl von Pflanzen als Kohlenstoffquelle beachtet werden, dass nicht jede Pflanze gleich gut dafür geeignet ist, um zu einem Ausgangsprodukt für die Industrie verarbeitet zu werden. Pflanzliche Rohstoffe wachsen dazu noch dezentral an verschiedenen Standorten, in unterschiedlichen Mengen und in unterschiedlichen Qualitäten. Um diese also als Rohstoffquelle zu erschließen und nutzbar zu machen, sind dezentrale Verarbeitungskonzepte von großer Bedeutung. Pflanzliche Rohstoffe sind jedoch für die Umsetzung einer nachhaltigen und zirkulären Bioökonomie unerlässlich!
Bioraffinerietechnikum | Versuchsstation Unterer Lindenhof | Universität Hohenheim
Dezentral, angepasste Technik für kleinere Volumina
Das on-farm Konzept der Universität Hohenheim sieht vor, dass Bioraffinerien direkt dort wo biogene Reststoffe und Nebenströme anfallen, zum beispiel an landwirtschaftlichen Betrieben, angegliedert werden können. Solche "kleinen" Bioraffinerien, angesiedelt an Bauernhöfen, liefern zusätzlich zu den bereits hergestellten Produkten auch Chemikalien, Materialien und weitere Energieträger. Dabei schließen sie Kreisläufe vor Ort und tragen dazu bei, sowohl die Natur und Klima zu schützen als auch die lokae Wirtschaft zu fördern.
Die Idee:
Auf dem Bauernhof der Zukunft entstehen neben herkömmlichen landwirtschaftlichen Produkten auch Zwischenprodukte für verschiedene Industriezweige aus pflanzlicher Biomasse. Reststoffe aus diesen Prozessen werden wiederum in einer Biogasanlage energetisch verwertet und landen als Dünger wieder auf dem Feld.
Produktbeispiele: Proteinfutter, Kunststoffe und Kraftstoffe, Lebensmittelverpackungen, aber auch Getränkeflaschen, Fasern für Autositze, Nylon für Strümpfe, Sportbekleidung, Aktivkohlen zur Reinigung von Luft, Gasen oder (Ab-)Wasser, Speichermedien für Wasserstoff, Elektrodenmaterialien für Batterien und Brennstoffzellen oder Superkondensatoren, wie sie unter anderem für die Herstellung von E-Autos benötigt werden.
Die Bioraffinerie stellt dabei dezentral die Vorstufen und Grundstoffe für diese und weitere Anwendungsmöglichkeiten her. Dadurch verbleibt ein großer Teil der Wertschöpfung im ländlichen Raum, bevor dadurch in bestehenden Industrien die Endprodukte hergestellt werden. Die Bioraffinerie auf einem Bauernhof wird allerdings meist nicht das Endprodukt für Privatkunden herstellen. Ziel sind viele dezentrale und modulare Anlagen, aus denen die Nährstoffe direkt vom jeweiligen Hof wieder auf die Felder gelangen können. Damit auch kleine Anlagen wirtschaftlich arbeiten, werden die Zwischenprodukte in größeren, zentralen Fabriken weiterverarbeitet.
Der angepasste Maßstab soll dafür sorgen, dass die Biomasse nicht über weite Strecken transportiert werden muss. Nur so ist Nachhaltigkeit auf regionaler Ebene gewährleistet. Deswegen können auch kleine, modulare Anlagen nach dem Baukastenprinzip in das Konzept integriert werden. Die Bioraffinerien passen sich also den jeweiligen gegebenen Gegebenheiten, zum Beispiel dem Standort, der Art der Biomasse und der Menge an. Dies nennen wir naturangepasste Technik.
Weiterführende Links & Leseempfehlungen
Roadmap Bioraffinerien - im Rahmen der Aktionspläne der Bundesregierung zur
stofflichen und energetischen Nutzung nachwachsender Rohstoffe
VDI 6310 Klassifikationen und Gütekriterien für Bioraffinerien